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spatial measuring point | smp 2020

Der Ort soll zum Raum der fundamentalen Erfahrung werden. Nach Ernst Mach soll das Universum auf geheimnisvolle Weise an jedem Ort und in jedem Augenblick der Welt präsent sein. Das Objekt – oder der fragmentarische Raum – wird durch einen räumlichen Messpunkt mit den Koordinaten des Ereignisses definiert. Dieser räumliche Messpunkt oder Marker befördert den Diskurs zwischen dem Hier und dem Dort, zwischen dem Ich und dem Unbekannten. Das Objekt scheint vorweg – bis auf die Tatsache der Koordinaten 16.148804 / 46.944477 – bezugslos zu sein. Der Betrachter könnte beim Anblick eine Art transzendentale Heimatlosigkeit erfahren oder die Entzauberung der Welt spüren. Das verbindende und entrückt erscheinende Element des Raumes, eben dieser räumliche Messpunkt, scheint auch nicht von der Vergänglichkeit der Natur betroffen zu sein (Anm.: Nach Friedrich Nietzsche haben die Menschen das verbindende, sinnstiftende Firmament der Natur, dass uns lange vor der Vergänglichkeit der Natur geschützt hatte, getötet). Unsere heterogene, polyvalente Welt, in der turbodynamische Prozesse alles entzaubern, wird scheinbar durch die bloße Existenz des räumlichen Messpunktes relativiert. Das Objekt verzichtet vorweg beim ersten Anblick – bis auf die Existenz der räumlichen Weltkoordinaten – auf jegliche Referenzen. Es könnte von allen Ordnungssystemen ausgeschlossen sein und dadurch für jede Kultur lesbar werden. Der räumliche Messpunkt manifestiert die Beweisführung für die Genetik des Raumes. Wenn dieser fragmentarische Raum mit allen Sinnen wahrgenommen wird, einschließlich des archaischen Verlangens nach der Erkenntnis des Raumes, so werden die visuellen Ereignisse dem Betrachter die tieferen Schlussfolgerungen eröffnen. Es wird die relativistische Wende, wonach jeder Betrachter sieht, was er will, eintreten. Das Potential des Raumes, im lateinischen spatium, oder auch das offene Land gleich dem Universum, wird zur Erzielung einer neuen Erfahrung genutzt. Im Kontext existiert der räumliche Messpunkt (spatial measuring point) nur durch das Ereignis. Die Ersetzung der Semantik durch Syntaktik bietet nun dem Betrachter die Möglichkeit das trilaterale Zeichen zu deuten. Die Beziehung zum Element, zum Zeichenbenutzer und zu anderen Zeichen wird eröffnet. Das fragmentarische Element wird beim Betrachter Widersprüche erzeugen, es werden ästhetische Rätsel entstehen. Immanuel Kant behauptet, dass man sich langweile, wenn man etwas vollständig erfassen kann. Hat man nach Kant etwas begriffen, so setzt man sich nicht weiter damit auseinander! Der Betrachter wird versuchen, dem Objekt näher zu kommen. Durch den räumlichen Messpunkt wird er zunächst entschleunigt, angehalten und dabei im rasenden Stillstand seine metaphysische Obdachlosigkeit überwinden. Er wird die Zuschreibungen des Objektes vorweg als Widersprüche deuten, seine Betrachtung neu ausrichten und erst später vermeintlich verschwundene Referenzen erkennen. Die gefundene Ordnung – oder der fragmentarische, induktive Raum – wird dann als außerordentlich wahrgenommen werden, weil der Betrachter die tradierten Sehgewohnheiten und Begriffe der Erinnerungsorte eben räumlich erobert. Komplexität und Widerspruch werden durch die Erfahrung des räumlichen Messpunktes – des missing link zum Firmament, einer Art Ganzheit – hergestellt. Die Notwendigkeit eines Wahrheitsargumentes oder des Transportes einer rhetorischen Wahrheit eines Kunstwerkes, wie diese zuhauf in Mahn- oder Denkmalen dekliniert wird, kann dem, was die Menschen in ihrem Leben als wichtig erachten, bis auf wenige Ausnahmen nicht gerecht werden und wird in diesem Objekt bewusst ausgeklammert. Der räumliche Messpunkt, ein kinästhetischer Raum, ist ein System möglicher Orte als Anhaltspunkt, ähnlich dem Ursprung der Geometrie oder der Zahl. Diese in der kinästhetischen Unbeweglichkeit gründende, ursprüngliche Welt, ist eine fest um einen körperlichen Leib oder um den in ihm gründenden Nullpunkt ausgerichtete Welt. Das Objekt symbolisiert einen absoluten Nullpunkt der Bewegung. Bewegung und Ruhezustände erlangen erst im Verhältnis ihren Sinn (Edmund Husserl). Gab es also je einen genius loci, so wäre der Geist des Ortes jedenfalls entrückt. Das räumliche Element des Messpunktes ent- schlüsselt die Poesie des Unsichtbaren, die unendlich unvorhersehbaren Ereignisse der Welt (eine Art Zerstäubung der Realität). Nachdem der Betrachter sich auf den Ort eingelassen hat, wird er im Osten des räumlichen Messpunktes an der Unterseite der horizontalen Achse ein Messingobjekt – wie eine Feder oder Klinge anmutend – erkennen. Die Plastizität dieser Feder wird aus dem Fragment einer mehrschneidigen Klinge – ähnlich einem kêlāf – sowie dem Loftkörper eines Schädelknochens und den räumlichen Algorithmen der Zahlen 10–5–6–5 (10+5), dem gespiegelten Tetragramm הוהי ‚Ich bin‘ modelliert. Man könnte in der Erscheinung des räumlichen Messpunktes auch eine Waage erkennen, welche die schweren Herzen der Verstorbenen gegen die federleicht reine Schöpfungsord- nung (Maat) abwägt. Der Interpret wird beim Erforschen dieses in Messing gehaltenen, 5 Meter langen Objektes bald begreifen, dass er sich in einer Art Vierung befindet. Er nimmt die Monumentale Leichtigkeit des räumlichen Messpunktes – mit kühnen Auskragungen und einer versiegelten Fundamentfläche von nur 1m2 – wahr. Die Faszination der Wahrheiten, die Suche nach unseren unbewussten Weisheiten kann durch den räumlichen Messpunkt somit inauguriert werden. Die Oberfläche des Betons wird mit Eisenoxid behandelt, poliert und mit Glanz versehen. Der Farbton variiert zwischen tiefrot und gelborange. Die Oxidation der Betonoberfläche steht im Widerspruch zum Edelmetall des digital hergestellten Messingobjektes. Diese Heterotopie des räumlichen Messpunktes smp vermag an einem einzigen Ort mehrere Räume, mehrere Platzierungen zusammenzulegen, die grundsätzlich unvereinbar wären. Dieser wirksame Ort, der in die Struktur unserer Gesellschaft hineingezeichnet wird, bildet Gegenplatzierungen oder Widerlager, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kulturen gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind – gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte. An der Stirnseite der östlichen, horizontalen Achse des Messpunktes wird der Betrachter einen in Messing gehaltenen QR-Code erkennen. Dieser verlinkt den historischen und wissenschaftlichen Zugang zur Erinnerungskultur des Ortes. Auch der QR-Code wird in ferner Zukunft seine Lesbarkeit verlieren. Er wird zum rätselhaften Phänomen werden. Die ständige Auseinandersetzung mit dem Ort wird somit eingefordert. Der Ort als spatial measuring point (smp) hat als dienendes Element zukünftige Ereignisse ständig neu aufzunehmen.

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